Insekten sind für uns Menschen von unschätzbarem Wert.
«Ohne Insekten überlebt die Menschheit nur noch wenige Monate.»
Edward O. Wilson, Insektenforscher
Wert und Bedrohung von Insekten
Insekten bestäuben Pflanzen, sind wichtiger Teil der Nahrungskette und für die Wissenschaft äußerst wertvoll – und das ist noch längst nicht alles.
Der Insektenbestand vermindert sich stetig dramatisch. Wir Menschen nehmen den Insekten ihren natürlichen Lebensraum weg, indem wir durch unser Wachstum immer mehr Platz beanspruchen. Zusätzlich töten wir die kleinen Tiere mit Insektenbekämpfungsmitteln und belasten die Bestände gleich mehrfach. So sind schon über 30% der Insektenarten in ihrem Bestand gefährdet. Knapp 5% gelten als ausgestorben. Naturschutzorganisationen zählten in Teilen von Deutschland 80% weniger Insekten als noch vor etwa 30 Jahren. Vergleichbare Entwicklungen finden sich in Österreich und der Schweiz.
Rückgang der Insekten – Insektensterben?
Die Tierklasse mit den meisten Arten auf unserer Erde sind die Insekten. Es sind längst nicht alle bekannt – aber wir wissen, dass sie stark zurückgehen.
Die Zahl der Insektenarten weltweit schätzt man auf zwischen zwei und zehn Millionen. Erst eine Million davon ist wissenschaftlich beschrieben. In Deutschland gehen Insekten stark zurück, das zeigen Studien deutlich. Schon über 30% der Insektenarten sind in ihrem Bestand gefährdet. Knapp 5% gelten als ausgestorben. Naturschutzorganisationen zählten in Teilen von Deutschland 80% weniger Insekten als noch vor 15 bis 20 Jahren. 2017 sorgte die Studie in PLoS One für Aufsehen, nach der über 75% der Fluginsekten-Biomasse in den letzten 27 Jahren zurückgegangen ist [Download Studie]. Vergleichbare Entwicklungen finden sich in Österreich und der Schweiz.
Die Weltbevölkerung wächst – und damit auch die Flächen, die die Menschen für sich als Lebensraum beanspruchen. Versiegelt werden auch (natürliche) Lebensräume, die bisher als Biotope für Insekten und andere Lebewesen dienten.
Auch die Produktion von Lebensmitteln braucht Fläche. So reduziert z.B. die industrielle Landwirtschaft die Artenvielfalt, denn in ihren Monokulturen finden bestäubende Insekten kaum Nahrung. Auch die Insektizide, die privat und in der Landwirtschaft ausgebracht werden, tragen wesentlich zum Insektenrückgang bei. Wenn wir heute ein Artensterben beobachten, so ist dies das Ergebnis unseres Handelns vor einigen Jahren, denn es tritt mit Verzögerung ein. Weil die Umweltbelastung weitergeht, werden die Insektenzahlen und -arten wohl noch weiter abnehmen.
Mehr Respekt für Insekten
Es ist höchste Zeit, Insekten zu respektieren – gerade weil wir sie manchmal bekämpfen. Nicht nur bevölkerten Insekten die Erde schon Millionen von Jahren vor dem Menschen, sie übernehmen auch viele wertvolle Funktionen. Edward Wilson, der renommierte amerikanische Entomologe, hat errechnet, dass wir ohne Insekten nur noch einige Monate überleben könnten.
10 Gründe, Insekten zu respektieren.
Nur eine vielgestaltige Natur ist auch eine resistente Natur. Als artenreichste Tierklasse tragen Insekten massgeblich zur Biodiversität auf unserem Planeten bei, weil sie den Kreislauf von Ernährung, Verdauung und Verwesung im Gleichgewicht halten. Weil sie Substanzen abbauen, die für andere Lebewesen schädlich sind. Und weil sie Flora und Fauna «anstacheln», mit immer besseren Strategien auf die Intelligenz der Insekten zu antworten.
Nicht nur die fleissigen Bienen, auch Mücken, Fliegen und viele weitere Insekten tragen durch Bestäubung oder Samentransport zur Fortpflanzung der Flora bei. Bis zu 75% unserer Kulturpflanzen und bis zu 90% aller Wildpflanzen sind auf Insekten angewiesen. Diese Leistung ist Geld wert: Experten schätzen zum Beispiel den wirtschaftlichen Nutzen der Bestäubung auf 265 Mia. Euro pro Jahr.
Insekten sind wichtige Elemente der Nahrungskette: Die meisten Vögel, Süsswasserfische, Reptilien und Amphibien sowie diverse Säugetiere sind bei der Ernährung auf Insekten angewiesen. So ernährt sich z.B. der Mauersegler (Apus apus) von mehr als 500 Insektenarten wie Blattläusen, Hautflüglern wie Bienen und Ameisen, Käfern, Fliegen und von Spinnentieren. Fütternde Brutpaare sammeln für ihre Kleintiere pro Tag über 20.000 Insekten. Auch viele Säugetiere ernähren sich von Insekten, wie z.B. Igel. Selbst im Wasser geht es nicht ohne Insekten: Die Nahrung von Süsswasser-Speisefischen besteht bis zu 90% aus Insekten-Larven. Auch Insekten fressen Insekten, was sich die Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft zunutze macht. Über 50 Insektenarten werden heute speziell dafür gezüchtet und gewerblich vertrieben.
Rund ein Drittel aller Nahrungsmittel geht auf die Bestäubung durch Insekten zurück. Obstpflanzen, niederwüchsige Früchte und Gemüse sind ohne Insekten nicht vorstellbar. Ohne Insekten wäre selbst ein Cheeseburger nur ein Brötchen, denn Rinder ernähren sich am liebsten von Futterpflanzen, die von Insekten bestäubt werden. Und wussten Sie, dass Mücken die einzigen Bestäuber des Kakaobaums sind, so dass in jeder Schokolade auch die Arbeit von Insekten steckt? Doch das ist nicht alles: Die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der UNO betrachtet den Verzehr von Insekten als zukunftsreiche Lösung auf dem Weg zu einer nachhaltigeren globalen Ernährung.
Ohne Insekten hätten wir ein grosses Hygieneproblem. Was passiert z.B. mit all den Kuhfladen auf unseren Weiden? Insekten, die sich von Kot ernähren, kümmern sich um die Misthaufen. Man nennt sie Koprophagen. Manche Insekten setzen direkt ihre Eier in den Kot und leben dort, andere graben bis zu zehn Zentimeter tiefe Stollen und ziehen mit dem Kot dort ein. Skarabäus-Käfer bringen diesen sogar viele Meter weit weg, um ihn in Schutz vor Konkurrenten in Ruhe zu sich zu nehmen.
Wie die Regenwürmer sind viele Insekten an der Umlagerung, Durchmischung und Durchlüftung des Erdreichs beteiligt. Dies fördert die «Atmung» des Bodens und die Wurzelbildung der Pflanzen. Indem sie organische Substanzen zersetzen, tragen Insekten aber auch direkt zur Humusbildung und zur Fruchtbarkeit des Bodens bei.
Ohne Insekten würden wir ziemlich nackt dastehen. Das bezieht sich nicht allein auf die Seide, die von einem Insekt produziert wird. Ohne die aktive Mitwirkung von Insekten könnte auch die Baumwollpflanze nicht gedeihen. Dasselbe gilt zudem für Lederwaren, denn die Tiere, aus deren Haut wir das Leder gewinnen, sind auf Futterpflanzen angewiesen – und diese wiederum auf die Arbeit von Insekten.
Insekten helfen der Industrie bei der Chemieproduktion: Die schmierige Haut der Schmier- und Mehlläuse wird für die Wachsproduktion verwendet und Deckelschildläuse liefern Harz. Besonders bekannt ist die Schildlaus Laccifer lacca. Der aus ihr gewonnene „Schellack“ haftet an vielen Oberflächen, hat eine gute thermische Plastizität und geringe Empfindlichkeit gegen viele Lösemittel und ist biologisch abbaubar. Das Produkt wird heute weltweit in vielen Formen zum Isolieren, Vergällen und Versiegeln eingesetzt: elektrische Geräte, Schuhcremes, Haarsprays, Nagellack, Bodenpolituren, Druckfarben usw.
Die meisten gesundheitsfördernden Pflanzen kommen ohne die Bestäubung durch Insekten nicht aus, zum Beispiel Baldrian, Lavendel, Melisse, Eukalyptus, Kamille, Johanniskraut und Salbei. Der weltweite Markt für Heilpflanzen wächst seit Jahren mit ca. zehn Prozent und beträgt heute rund 100 Milliarden US-Dollar. Aufgrund des Auftretens von multi-resistenten Keimen, für die die Medizin keine sichere Behandlung hat, gewann die Madentherapie in den letzten Jahren wieder an Bedeutung. Auch Bienengift wird bereits seit 1930 in der Medizin erfolgreich gegen Arthritis eingesetzt.
Motten können bis zu 100 mal feiner als wir Menschen riechen, Ameisen können ein mehrfaches ihres Körpergewichtes tragen, Mücken trotzen mühelos der Kraft von grossen Regentropfen und Käfer orientieren sich zuverlässig ohne elektronisches Navigationssystem an den Sternen. Warum leuchten Glühwürmchen, wie schaffen es Springschwänze luftdurchlässig und gleichzeitig gegen Reibung robust zu sein und wie leben Ameisen in Gemeinschaften mit bis zu 800.000 Individuen friedlich zusammen? Insekten sind interessante Tiere, von deren Erforschung wir viel lernen können.
Insekten brauchen unsere Hilfe.
Tipps
Insekten sind überlebenswichtig. Wir brauchen Ihre Hilfe! Lesen Sie unsere Tipps und retten Sie wertvolle Insekten.
- Legen Sie Insektenlebensräume in Ihrem Garten oder auf Ihrem Balkon an.
- Achten Sie auf das INSECT-RESPECT Gütezeichen auf Produkten.
- Verwenden Sie Lebendfallen zur Insektenbekämpfung oder Produkte mit Kompensationsausgleich.
- Nutzen Sie die INSECT-RESPECT Faktenblätter über Insekten mit wertvollen Präventionstipps.
- Tragen Sie ein Zeichen des Respekts mit unserem Pin.
- Bieten Sie uns eine Plattform für die INSECT-RESPECT Wechselausstellung.
- Schauen und teilen Sie den kurzen Animationsfilm Kleine Riesen mit Ihrer Community.
- Folgen Sie INSECT-RESPECT auf Instagram und Twitter.
- Lesen Sie die Publikationen von Dr. Hans-Dietrich Reckhaus.
- Nehmen Sie an unseren Events teil, wie der Stunde der Insekten.
Rettet Sie, indem…
- Sie im Haus verirrte Insekten freilassen
- Sie Insektengitter anbringen
- Sie regionale, saisonale und ökologisch erzeugte Lebensmittel kaufen
- Sie Ihren Fleischkonsum reduzieren und Bioprodukte konsumieren
- Sie sich konkret für die Natur in der Region einsetzen
- Sie weniger Auto fahren, um den Insektenschlag zu reduzieren
- Sie nur bei geschlossenen Fenstern Licht brennen lassen
- Sie warmweisse LEDs als Aussenbeleuchtung nutzen
Schenken Sie Ihren Insekten eine Heimat
Insekten mögen es heimisch, bunt, abwechslungs- und artenreich im Garten, auf dem Balkon und der Terrasse.
Bieten Sie den Insekten …
- durchgehendes Nahrungsangebot von Frühling bis Herbst
- Versteckmöglichkeiten für den Winter
- einheimisches Samen- und Pflanzgut wie Blumenwiesen, Trockenflächen, Wildstaudenbeete, Kräuterbeete, Balkon-, Terrassen- und Kübelpflanzen, Fassadenbegrünung, Flachdachbegrünung, Hecken aus Laubgehölzen
- Kleinstrukturen wie Holzhaufen, Wurzelstücke, Stammstücke, Holzschnitzelwege, Steinhaufen, Trockenmauern, Laubhaufen, Biotope
- Nisthilfen
- kleine Trinkstellen mit Anflugplätzen
- Wildwuchs – selten mähen und wenn, dann Wiesen gestaffelt schneiden
- Gartenerde ohne Torf
- Pflanzenfruchtstände – lassen Sie diese im Herbst und Winter stehen
Warum jede Fliege zählt
Das Buch beleuchtet das ambivalente Verhältnis zwischen Menschen und Insekten: Empfinden wir die Tiere eher als nützlich oder schädlich? Welchen Platz nehmen sie in der Welt und für die Vielfalt der Arten und Ökosysteme (Biodiversität) ein? Wie wirken sich Klimawandel und Bevölkerungsentwicklung aus: Wird die Zahl der Insekten zunehmen oder abnehmen?
Dr. Hans-Dietrich Reckhaus, 6. überarbeitete Verion, ISBN 978-3-033-07049-3
Weitere INSECT-RESPECT Empfehlungen
Download (PDF) mit den wichtigsten Studien, 5 Seiten
- Hallmann, C.; Sorg, M. et al.: More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. In: PLOS One, 18.10.2017. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0185809
- Sánchez-Bayo, F.; Wyckhuys, K. (2019): Worldwide decline of the entomofauna: A review of its drivers. In: Biological Conversation. Amsterdam: Elsevier. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1016/j.biocon.2019.01.020 oder Download als PDF
- Reichholf, J. (2017): Das Verschwinden der Schmetterlinge. Statusbericht – Vorabinformationen unter: https://www.deutschewildtierstiftung.de/content/10-presse/1-pressemitteilungen/schmetterlinge_kurzfassung-studie_0717_final_2.pdf].
- Binot-Hafke, Margret & Sandra Balzer, Nadine Becker, Horst Gruttke, Heiko Haupt, Natalie Hofbauer, Gerhard Ludwig, Günter Matzke-Hajek & Melanie Strauch (Red.) (2011): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). Landwirtschaftsverlag, Münster. Reihe: Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3) des Bundesamtes für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg.
- HORST GRUTTKE, MARGRET BINOT-HAFKE, SANDRA BALZER, HEIKO HAUPT, NATALIE HOFBAUER, GERHARD LUDWIG, GÜNTER MATZKE-HAJEK & MELANIE RIES (Red.) (2016): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 4: Wirbellose Tiere (Teil 2). Landwirtschaftsverlag, Münster. Reihe: Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (4) des Bundesamtes für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg.
- NABU, 2016: Dramatisches Insektensterben – Rückgang um 80 Prozent in Teilen Deutschlands. Verfügbar unter: https://www.nabu.de/news/2016/01/20033.html
- European Environment Agency (2013): The European Grassland Butterfly Indicator: 1990–2011. EEA Technical report No 11/2013. ISBN 978-92-9213-402-0; doi:10.2800/89760.
- Fred Grimm (2018): Digitaler Blümchensex (über den Einsatz von Bienen-Robotern mangels Honigbienen, Patent von Wal-Mart). In: Schrot & Korn 5/2018. Verfügbar unter: https://schrotundkorn.de/lebenumwelt/lesen/kolumne-digitaler-bluemchensex.html
Glossar
Wir sammeln laufend Begriffe rund um Insekten und die Insektenbekämpfung.